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Der Baustoff Stahl im Ingenieurholzbau

Der Werkstoff Stahl stellt für den modernen Holzbau einen wichtigen Partner dar. Ein wesentlicher Einsatzbereich ist die Verbindungstechnik, die heute hauptsächlich mit Stahlteilen wie Schrauben, Stabdübel, Bolzen, Verbindungsblechen und speziell gefertigten Stahlknoten (Formteilen) ausgeführt wird. Stahl wird auch vielfach für Tragwerkselemente wie Verbände (Aussteifungen) und Unterspannungen sowie für Bauteile wie Auflager und Verankerungen, Fassaden- und Dachelemente, Entwässerungseinrichtungen, Beschläge, Verblechungen etc. eingesetzt.

Gemäß ON EN 10020 (2000) [1] ist Stahl eine Legierung aus Eisen und weniger als 2 % Kohlenstoff (darüber spricht man von Gusseisen). Der Kohlenstoffgehalt von im Holzbau eingesetzten Baustählen liegt jedoch meist unter 0,2 %. Durch Zugabe weiterer Legierungselemente wie Silicium, Mangan, Chrom, Nickel, etc. können die chemischen, physikalischen und mechanischen Eigenschaften von Stahl auf die gewünschte Weise verändert werden; vergl. Petersen (2013) [2]. Beispielsweise sind nichtrostende Stähle gemäß ON EN 10020 (2000) [1] Stähle mit einem Massenanteil Chrom von mindestens 10,5 % und höchstens 1,2 % Kohlenstoff.

Im Holzbau werden häufig unlegierte (bzw. niedriglegierte) Baustähle gemäß ON EN 10020 (2000) [1] bzw. ON EN 10025-2 (2005) [3] eingesetzt. Die Rohdichte von Baustahl beträgt rund 7.850 kg/m3 und der Elastizitätsmodul (Steifigkeit) liegt bei rund 210.000 N/mm2. Die Zugfestigkeit für übliche Baustähle beträgt meist zwischen 300 und 600 N/mm2. Insbesondere für primär axial beanspruchte Schrauben werden jedoch auch hochfeste Stahllegierungen mit Zugfestigkeiten von 1.000 N/mm2 und mehr eingesetzt; vergleiche Ringhofer (2017) [4].

Wird Stahl ungeschützt seiner Umgebung ausgesetzt, treten Korrosionserscheinungen auf (Bildung von Korrosionsprodukten, Materialabtrag, Korrosionsrisse); vergl. Nürnberger (1995a) [5]. Nicht nur im Freien, sondern auch in geschlossenen Räumen, können bestimmte Beanspruchungen zur Korrosion von Stahl führen (z. B. durch Industrie- und Autoabgase), welche wiederum auf unterschiedliche Art und Weise auftreten kann.

Korrosion

Gemäß ON EN ISO 8044 (2015) [6] ist Korrosion eine physikochemische Wechselwirkung (oft elektro-chemischer Natur) zwischen einem Metall und seiner Umgebung. Diese führt zu einer Veränderung der Eigenschaften des Metalls, wodurch mit erheblichen Beeinträchtigungen der Funktion des Metalls gerechnet werden muss. Das sichtbare Produkt der Korrosion, welches hauptsächlich aus hydratisierten Eisenoxiden besteht, wird als Rost bezeichnet.

Nürnberger (1995a) [5] beschreibt neben unterschiedlichen Korrosionsmechanismen (chemische Korrosion, physikalische Korrosionsvorgänge und elektrochemische Korrosion), auf welche hier nicht näher eingegangen wird, auch verschiedene Erscheinungsformen der Korrosion (gleichmäßige Flächenkorrosion sowie unterschiedliche Lokalkorrosionsarten).

Einige für im Holzbau eingesetzte Stahlteile relevante Lokalkorrosionsarten sind:

  • Kontaktkorrosion
  • Loch-, Mulden und Spaltkorrosion
  • Spannungsrisskorrosion
  • Wasserstoffversprödung

Im Folgenden findet sich eine kurze Beschreibung der erwähnten Korrosionsformen, welche auf Basis der in Nürnberger (1995a) [5], Kunze (2001) [7], Tostmann (2001) [8], Böllinghaus et al. (2011) [9] und Ringhofer (2017) [4] vorzufindenden Informationen zusammengestellt wurden:

  • gleichmäßige Flächenkorrosion
    Die gleichmäßige Flächenkorrosion ist durch einen gleichmäßigen Metallabtrag, welcher nahezu parallel zur Oberfläche auftritt, gekennzeichnet. Gleichmäßige Flächenkorrosion im strengen Sinn ist jedoch vergleichsweise selten. Häufig tritt ein muldenförmiger Flächenabtrag, also eine Überlagerung von gleichmäßiger Flächenkorrosion und Muldenkorrosion, auf. Bei Stahl ist in Abhängigkeit des Umgebungsklimas mit einer Korrosionsrate (= Korrosionsgeschwindigkeit) von 0,01 bis 0,1 mm/a zu rechnen; vergl. Nürnberger (1995a) [5] und Böllinghaus et al. (2011) [9].
  • Kontaktkorrosion (galvanische Korrosion)
    Kontaktkorrosion tritt auf, wenn zwischen zwei unterschiedlich edlen Metallen ein direkter Kontakt besteht oder diese durch ein leitendes Medium (z. B. durch Kondenswasser) miteinander verbunden sind. Der unedlere Werkstoff (Anode) wird dabei verstärkt korrodiert; gleichzeitig vermindert sich jedoch die Korrosion des edleren Werkstoffs (Kathode). Kontaktkorrosion tritt beispielsweise zwischen Kupfer (edler Partner) und Aluminium (unedler Partner) auf, weswegen bei einem Blechdach aus Kupfer keine Dachrinne aus Aluminium eingesetzt werden darf.
    Bei der Kontaktkorrosion gibt es auch einen Einfluss des Flächenverhältnisses. So ist die Befestigung eines Profils aus feuerverzinktem Stahl oder einer Aluminiumlegierung (unedler Partner) mit Schrauben aus nichtrostendem Stahl zwar nicht ideal, aber möglich. Von einer Befestigung eines Bleches oder Profils aus nichtrostendem Stahl mit z. B. feuerverzinkten Schrauben ist jedoch abzuraten. Ein bewusster Einsatz der Kontaktkorrosion findet sich in der Verzinkung wieder. Hierbei ist das Zink der unedlere Partner, der aufgrund seiner eigenen Korrosion den „edlen“ Werkstoff Stahl schützt; vergl. Nürnberger (1995a) [5], Tostmann (2001) [8] sowie Böllinghaus et al. (2011) [9].
  • Lochkorrosion/Muldenkorrosion/Spaltkorrosion
    Die Lochkorrosion, als stark lokalisierter Angriff, ist auf ein lokales Versagen der sonst gut schützenden Passivschicht zurückzuführen und wird vor allem durch die Anwesenheit von Chlorid (z. B. aus Meerwasser oder Streusalzen) ausgelöst. Es bilden sich mit vergleichsweise hoher Geschwindigkeit kraterförmige, nadelstichartige oder auch Oberflächen unterhöhlende Vertiefungen. Bei Muldenkorrosion ist der Durchmesser der Mulde größer als ihre Tiefe; außerhalb der Mulde kann ein begrenzter Flächenabtrag stattfinden. Der Korrosionsabtrag bei der Spaltkorrosion findet in nicht einsehbaren Stellen der Konstruktion statt; vergl. Nürnberger (1995a) [5] sowie Kunze (2001) [7].
  • (Anodische) Spannungsrisskorrosion
    Rissbildungen in Metallen, welche auf ein Zusammenspiel von positiven Normalspannungen, Material und Umgebungsklima zurückzuführen sind, werden als Spannungsrisskorrosion bezeichnet. Diese kann ohne von außen klar erkennbare Veränderung zum plötzlichen Versagen eines Bauteils führen.
    Um eine Spannungsrisskorrosion zu verhindern, ist eine der drei Einflussgrößen auszuschalten. Als Hauptmaßnahme gegen das Auftreten einer herkömmlichen Spannungsrisskorrosion gilt die Auswahl eines an die herrschenden Umgebungsbedingungen angepassten Materials. Geeignete Überzüge bzw. die Vermeidung lokaler Spannungskonzentrationen und konstruktiver Kerben können das Risiko einer Spannungsrisskorrosion ebenfalls verringern; vergl. Nürnberger (1995a) [5], Tostmann (2001) [8] und Böllinghaus et al. (2011) [9]
  • wasserstoffunterstützte (kathodische) Spannungsrisskorrosion (Wasserstoffversprödung)
    Die wasserstoffunterstützte Spannungsrisskorrosion ist eine Sonderform der Spannungsrisskorrosion und setzt die Bildung bzw. das Vorhandensein von Wasserstoff voraus. Diese Form der Korrosion tritt häufig – aber nicht ausschließlich – bei hochfesten Stählen (Zugfestigkeit fu > 1000 N/mm2) auf. Das Risiko einer Wasserstoffversprödung kann demnach durch den Einsatz von Stählen mit einer geringeren Zugfestigkeit bzw. einer Abstimmung des eingesetzten Materials mit den vorherrschenden Umgebungsbedingungen verringert werden. Im Holzbau ist diese Form der Korrosion vor allem beim Einsatz von hochleistungsfähigen Vollgewindeschrauben zu berücksichtigen; vergl. Böllinghaus et al. (2011) [9] und Ringhofer (2017) [4].

Einteilung der Umgebungsbedingungen – Korrosivitätskategorien

Zur Beurteilung der Korrosionsgefahr ist es erforderlich, die atmosphärischen Umgebungsbedingungen zu kennen. Dabei sind die chemische Zusammensetzung, die Konzentration und der pH-Wert sowie die Temperatur und die Feuchtigkeit (im Hinblick auf Kondensationsbedingungen) zu erfassen. Des Weiteren sind auch mechanische Einflüsse (z. B. Spannungen im Bauteil) sowie die zeitliche Komponente (Einwirkungsdauer des Mediums oder Belastung) nicht zu vernachlässigen.

Nach ON EN ISO 9223 (2012) [10] werden atmosphärische Umgebungsbedingungen in Korrosivitätskategorien eingeteilt. Zugehörige Massenverluste bzw. Dickenabnahmen für Standardproben aus niedriglegiertem Stahl und/ oder Zink (nach dem ersten Jahr der Auslagerung) sowie Beispiele für typische Umgebungen, wo die einzelnen atmosphärischen Bedingungen auftreten können, finden sich in ON EN ISO 12944-2 (2018) [11]; vergl. Tab. 1.

Tab. 1: Korrosivitätskategorien für atmosphärische Umgebungsbedingungen und Beispiele für typische Umgebungen gemäß ON EN ISO 12944-2 (2018) [11]
Korrosivitätskategorie flächenbezogener Massenverlust / Dickenabnahme (nach dem 1. Jahr der Auslagerung) Beispiele für typische Umgebungen (informativ)
unlegierter Stahl Zink Freiluft Innenraum
Massenverlust Dickenabnahme Massenverlust Dickenabnahme
[g/m2] [g/m2] [g/m2] [g/m2]
C1
unbedeutend
≤ 10 ≤ 1,3 ≤ 0,7 ≤ 0,1 beheizte Gebäude mit neutraler Atmosphäre, z. B. Büros, Verkaufsräume, Schulen, Hotels
C2
gering
> 10 bis 200 > 1,3 bis 25 > 0,7 bis 5 > 0,1 bis 0,7 Atmosphäre mit geringem Verunreinigungsgrad: meistens ländliche Gebiete unbeheizte Gebäude, in denen Kondensation auftreten kann, z. B. Lagerhallen, Sporthallen
C3
mäßig
> 200 bis 400 > 25 bis 50 >5 bis 15 > 0,7 bis 2,1 Stadt- und Industrieatmosphäre mit mäßiger Schwefeldioxidbelastung; Küstenatmosphäre mit geringer Salzbelastung Produktionsräume mit hoher Luftfeuchte und gewisser Luftverunreinigung, z. B. Lebensmittelverarbeitungsanlagen, Wäschereien, Brauereien, Molkereien
C4
stark
> 400 bis 650 > 50 bis 80 > 15 bis 30 > 2,1 bis 4,2 Industrieatmosphäre und Küstenatmosphäre mit mäßiger Salzbelastung Chemieanlagen, Schwimmbäder, küstennahe Werften und Bootshäfen
C5
sehr stark
> 650 bis 1.500 > 80 bis 200 > 30 bis 60 > 4,2 bis 8,4 Industriebereiche mit hoher Luftfeuchte und aggressiver Atmosphäre und Küstenatmosphäre mit hoher Salzbelastung Gebäude oder Bereiche mit nahezu ständiger Kondensation und mit starker Verunreinigung
CX
extrem
> 1.500 bis 5.500 > 200 bis 700 > 60 bis 180 > 8,4 bis 25 Offshore-Bereiche mit hoher Salzbelastung und Industriebereiche mit extremer Luftfeuchte und aggressiver Atmosphäre sowie subtropische und tropische Atmosphäre Industriebereiche mit extremer Luftfeuchte und aggressiver Atmosphäre
Anmerkung:
Die Verlustwerte für die Korrosivitätskategorien sind identisch mit den Werten in ON EN ISO 9223 (2012) [10].

Korrosion von in Kombination mit Holz eingesetztem Stahl

Untersuchungen zum Korrosionsverhalten von in Kombination mit Holz eingesetzten Stahlteilen sind nur vereinzelt vorhanden. Es steht jedoch außer Frage, dass die Korrosivität, neben den vorherrschenden klimatischen Umgebungsbedingungen nach Tab. 1, auch durch die Holzfeuchtigkeit (spezifiziert durch die jeweilige Nutzungsklasse; vergl. Abschnitt Nutzungs- und Gebrauchsklassen) sowie die eingesetzte Holzart beeinflusst wird. Besonders korrosionsfördernd ist beispielsweise Eichenholz, welches neben Gerbstoffen auch einen hohen Anteil an Essigsäure enthält und einen niedrigen pH-Wert von rund 3,9 aufweist. Korrosion kann jedoch auch durch gewisse (insbesondere chemische) Holzschutzmaßnahmen gefördert werden (z. B. durch kupferhaltige Imprägnierungen). vergl. Gläser et al. (2013) [12] und Ringhofer (2017) [4].

In Anlehnung an die in Tab. 1 definierten Korrosivitätskategorien findet sich in Gläser et al. (2013) [12] eine „holzbauspezifische“ Abwandlung derselbigen – die sogenannten Korrosivitätsklassen. Wie in Tab. 2 ersichtlich, können dabei neben den Umgebungsbedingungen nach ON EN ISO 12944-2 (2018) [11] auch die Parameter „Holzart“ und (sofern vorhanden) „Holzschutzmittel“ berücksichtigt werden. Ausschlaggebend für die endgültige Bewertung bzw. Einteilung in eine Korrosivitätsklasse ist der jeweils am stärksten korrosiv wirkende Parameter.

Tab. 2: Einordnung der Einwirkungen auf eine Metall-Holz-Verbindung in fünf Korrosivitätsklassen gemäß Gläser et al. (2013) [12] – geringfügig überarbeitet
Korrosivitätsklassen Holzarten Wirkstoffe der Holzschutzmittel Umgebungsbedingungen nach ON EN ISO 12944-2 (2018) [11]
außen innen
KKL 1
unbedeutend
Fichte, Kiefer, Tanne beheizte Gebäude mit neutraler Atmosphäre, z. B. Büros, Verkaufsräume, Schulen, Hotels
KKL 2
gering
Buche, Douglasie, Meranti Kupfer-Benzalkoniumchlorid, Borsalze Atmosphäre mit geringem Verunreinigungsgrad; meistens ländliche Gebiete unbeheizte Gebäude, in denen Kondensation auftreten kann, z. B. Lagerhallen, Sporthallen
KKL 3
mäßig
Bongossi, Lärche Benzammoniumchlorid Stadt- und Industrieatmosphäre mit mäßiger Schwefeldioxidbelastung; Küstenatmosphäre mit geringer Salzbelastung Produktionsräume mit hoher Luftfeuchte und gewisser Luftverunreinigung, z. B. Lebensmittelverarbeitungsanlagen, Wäschereien, Brauereien, Molkereien
KKL 4
stark
Eiche Quatäre Ammonium Verbindungen, Kupferethanolamin, Kupfer-Präparate Industrieatmosphäre und Küstenatmosphäre mit mäßiger Salzbelastung Chemieanlagen, Schwimmbäder, küstennahe Werften und Bootshäfen
KKL 5
sehr stark
andere, hier nicht genannte HSM / Wirkstoffkombinationen Industriebereiche mit hoher Luftfeuchte und aggressiver Atmosphäre und Küstenatmosphäre mit hoher Salzbelastung Gebäude oder Bereiche mit nahezu ständiger Kondensation und mit starker Verunreinigung

Ein weiterer, hinsichtlich Korrosion, nicht zu vernachlässigender Punkt, betrifft die mögliche Kondenswasserbildung. Da Stahlteile im Vergleich zu Holz eine gute Wärmeleitfähigkeit besitzen (vergl. Abschnitt Thermische Eigenschaften), bilden diese auch Wärme- bzw. Kältebrücken, was in weiterer Folge zu Kondensatbildung an der Stahloberfläche führen kann. Liegt zudem die Temperatur der Stahloberfläche über mehrere Tage hinweg unter dem Taupunkt, so stellt das kondensierende Wasser eine besonders hohe Korrosionsbelastung dar, vor allem dann, wenn mit periodischen Wiederholungen zu rechnen ist; vergleiche ON EN ISO 12944-2 (2018) [11] sowie Gläser et al. (2013) [12].

Korrosionsschutz

Unter Korrosionsschutz werden Maßnahmen verstanden, welche zur Verringerung von Korrosionsschäden ergriffen werden können. Dabei muss eine Korrosion an sich nicht unbedingt verhindert werden, es darf lediglich die Funktion des zu schützenden Teils bzw. Systems innerhalb der vorgesehenen Nutzungsdauer nicht beeinträchtigt werden; vergl. ON EN ISO 8044 (2015) [12] und Nürnberger (1995a) [5].

Grundsätzlich kann zwischen aktivem Korrosionsschutz und passivem Korrosionsschutz unterschieden werden. Aktiver Korrosionsschutz umfasst dabei Maßnahmen, welche Korrosion durch z. B. korrosionsgerechte Planung, Verwendung geeigneter Werkstoffe oder auch durch eine regelmäßige Reinigung von mit Schadstoffen verschmutzten Flächen, vermeiden sollen. Unter passivem Korrosionsschutz versteht man im Wesentlichen das Fernhalten angreifender Stoffe vom korrosionsgefährdeten Material durch Aufbringen einer Beschichtung bzw. eines Überzugs; vergl. Nürnberger (1995a) [5].

Im Folgenden finden sich einige Zusatzinformationen zu den einzelnen Möglichkeiten des aktiven und passiven Korrosionsschutzes.

Aktiver Korrosionsschutz

  • konstruktive Maßnahmen
    Unter den konstruktiven Maßnahmen können im Wesentlichen alle „planerischen Aspekte“ zusammengefasst werden, welche eine funktionsbeeinflussende Korrosion vermeiden. Beispielsweise sollten offene Stahlprofile nach Möglichkeit so angeordnet werden, dass sich keine gehäuften Ablagerungen oder Wasseransammlungen bilden können. Bei der Konstruktion von Stahlbauteilen ist auch auf einen möglichst gleichmäßigen Kraftfluss zu achten; Spannungsspitzen (z. B. durch Kerben in hochbeanspruchten Bereichen) sind möglichst zu vermeiden. Ebenso sollten Spalten und unzugängliche Hohlräume vermieden bzw. dauerhaft verschlossen werden (z. B. durch Kunststoffdichtungen).
    Ist die zu erwartende Korrosionsrate bekannt, kann bei der Konstruktion ein sogenannter Korrosionszuschlag einkalkuliert werden, welcher, ähnlich der Brandbemessung im Holzbau, eine gewisse Querschnittsreduktion durch Korrosion ermöglicht, ohne die eigentliche Funktion des betroffenen Bauteils zu beeinflussen. Auch der bewusste Einsatz von, der Umgebung angepassten und miteinander kompatiblen, Materialien sowie eine zugängliche – und damit kontrollierbare – Gestaltung von Stahlbauteilen gehören zum konstruktiven Korrosionsschutz; vergl. Nürnberger (1995b) [13], Kunze (2001) [7] und Tostmann (2001) [8].
  • Einsatz von nichtrostenden Stählen
    Als nichtrostende Stähle bezeichnet man Stahlsorten, welche einen Chromgehalt von über 10,5 % (lt. andere Quellen: mindestens 12-13 %) aufweisen und dadurch an der Luft und in neutralen Wässern keine Flächenkorrosion bzw. Rostung zeigen. Wesentlich ist jedoch die Bildung einer 1 bis 10 nm dicken Passivschicht aus Chromoxiden. Demzufolge ist die Korrosionsbeständigkeit nur bei metallisch blanker Oberfläche gesichert. Ein ungünstiger Oberflächenzustand in Kombination mit hohen Chlorid-Konzentrationen (z. B. aus Meersalz) und Temperaturen kann beispielsweise Lochkorrosion hervorrufen; vergl. Nürnberger (1995b) [13], und Kunze (2001) [7] und Tostmann (2001) [8].
  • Wartung
    Zum aktiven Korrosionsschutz zählt auch die regelmäßige Wartung von Stahlbauteilen (Erneuern von Schutzanstrichen, Reinigen von verschmutzen Oberflächen, etc.). Nähere Ausführungen hierzu finden sich in Abschnitt Hinweise für die Überprüfung von Stahlbauteilen im Holzbau

Passiver Korrosionsschutz

Wie bereits beschrieben, versteht man unter passivem Korrosionsschutz das Fernhalten angreifender Stoffe vom korrosionsgefährdeten Material durch Aufbringen einer organischen Beschichtung bzw. eines metallischen Überzugs. Die Kombination aus metallischen Überzügen und organischen Beschichtungen (sog. Duplex-Systeme) sowie nichtmetallische anorganische Beschichtungen bzw. Überzüge werden hier nicht näher betrachtet. Anhaltspunkte für die Dauerhaftigkeit von diversen Korrosionsschutzschichten finden sich in Tab. 3.

Tab. 3: Eigenschaften von Korrosionsschutzschichten für unlegierten Stahl (aus Kunze (2001) [7] – überarbeitet
Stoff Dicke
[mm]
Schutz in Jahren
unter Dach Atmosphäre Wasser / Erdboden
Öl 0,01 1
Wachs 0,10 2 - 5 1
Lack-System 0,30 > 30 10
Kunststoff > 1,0 > 30 > 30 > 30
Zink 0,07 > 30 10 - 30 3 - 20
Chrom 0,03 > 30 2 - 20 2 - 10
  • organische Beschichtungen
    Gemäß ON EN ISO 4618 (2015) [14] können Beschichtungen mit schützenden, dekorativen und/oder anderen spezifischen Eigenschaften aus flüssigen, pastenförmigen oder pulverförmigen Produkten hergestellt werden. Korrosionsschutzbeschichtungen (insb. Anstriche und Lackierungen) haben zwar primär die Trennung der Reaktionspartner Metall und Korrosionsmedium zur Aufgabe (Barriereeffekt), können den Schutz jedoch durch entsprechend gute Haftung sowie mechanische, physikalische und chemische Widerstandsfähigkeit verbessern. Falls der Barriereeffekt bei dünnen Schichtdicken nicht ausreichen sollte, kann die Beschichtung durch Zugabe aktiver Pigmente (z. B. Zinkstaub) auch aktiv am Korrosionsschutz teilnehmen; vergl. Nürnberger (1995b) [13].
  • metallische Überzüge
    Prinzipiell haben metallische Überzüge die Aufgabe, die Oberfläche des zu schützenden Bauteils vom Angriffsmittel zu trennen, können aber auch Merkmale des aktiven Korrosionsschutzes aufweisen. Beispielsweise ermöglicht ein Überzug aus Zink an beschädigten Stellen einen zusätzlichen kathodischen Schutz. Umgekehrt schützen Überzugsmetalle, welche edler sind als der Grundwerkstoff (z. B. Nickel oder Chrom), diesen nur, wenn sie völlig frei von Fehlstellen sind. Ist dies nicht der Fall, kann sogar eine erhöhte lokale Korrosion auftreten (z. B. Lochkorrosion).
    Im Bauwesen wird am häufigsten Zink als Überzugsmetall für unlegierte bzw. niederlegierte Stähle eingesetzt. Alternativ finden aber auch Aluminium, Blei, Nickel, Chrom und Kupfer bzw. Legierungen dieser Metalle ihre Anwendung. Die Aufbringung der Überzüge erfolgt, neben anderen Verfahren, durch Feuerverzinken (Schmelztauchen), Galvanisieren oder Aufspritzen; vergl. Nürnberger (1995b) [13].
    Empfehlungen für die erforderlichen Mindestschichtdicken für Verzinkungen, von im Holzbau eingesetzten Verbindungsmitteln und Stahlbauteilen, finden sich in Tab. 4. Diese wurde aus Gläser et al. (2013) [12] entnommen und berücksichtigt, neben den bereits beschriebenen Korrosivitätsklassen (vergl. Tab. 2), die vorherrschende Nutzungsklasse sowie die Dicke des jeweiligen Querschnitts.
Tab. 4: Mindestanforderungen an den Korrosionsschutz für metallische Bauteile und Verbindungsmittel – Mindestschichtdicke der Verzinkung in μm (aus Gläser et al. (2013) [12]; überarbeitet)
Nutzungsklasse Korrosivitätsklasse stiftförmige Verbindungsmittel flächige Verbindungsmittel
d ≤ 2 mm 2 mm < d ≤ 4 mm d > 4 mm d ≤ 3 mm 3 mm < d ≤ 5 mm d > 5 mm
NKL 1 KKL 1 7 7
KKL 2 7 7 7 7
KKL 3 15 15 15 20 20 20
KKL 4 55 55 30 55 55 55
KKL 5 VA VA VA VA VA VA
NKL 2 KKL 2 20 20 7 20 20 7
KKL 3 55 55 20 55 55 20
KKL 4 VA VA 55 VA 55 55
KKL 5 VA VA VA
NKL 3 KKl 3 VA VA 55 VA VA 55
KKL 4 und KKL 5 VA VA
Anmerkung:
Der Eintrag „VA“ kennzeichnet die Empfehlung zum Einsatz von einem geeigneten nichtrostenden Stahl.

Je nach der Lokalisation von Stahlteilen im Gebäude sind diese mehr oder weniger großen Temperaturschwankungen ausgesetzt. Bei Verbänden können durchaus Temperaturunterschiede von rund 50°C (zwischen Sommer und Winter) und mehr auftreten; Dachelemente aus Stahlprofilen (z. B. Trapezbleche) sind unter Umständen noch größeren Schwankungen unterworfen. Abgesehen vom Einfluss auf die Korrosivität ist dabei insbesondere die temperaturabhängige Längenänderung zu beachten.

Der Wärmeausdehnungskoeffizient von Baustahl kann gemäß ON EN 1993-1-1 (2014) [15] mit α = 12·10-6 je K (für T ≤ 100°C) angenommen werden; die auftretenden temperaturbedingten Längenänderungen können gemäß Glg. \eqref{eq:eqn_laengenaenderung} ermittelt werden.

\begin{equation} \label{eq:eqn_laengenaenderung} \Delta l =l_0 \cdot \Delta t \cdot \alpha \end{equation}

Δl Längenänderung für Δt [mm]
l0 Ausgangslänge [mm]
Δt Temperaturdifferenz (positiv bei steigender Temperatur, negativ bei sinkender Temperatur) [K]
α Wärmeausdehnungskoeffizient [-]

Beispielsweise ergibt sich für einen 10,0 m langen Verbandsstab bzw. ein gleichlanges Dachelement eine Längenänderung von 0,12 mm je K Temperauränderung. Für eine Temperaturdifferenz von Δt = 50°C bedeutet dies eine Längenänderung von Δl = 6 mm.

Sofern sich die auftretenden Verformungen nicht frei entfalten können, resultieren diese in zusätzlichen Spannungen, welche – sofern sie bei der Bemessung nicht berücksichtigt wurden – zu deutlichen Überbeanspruchungen führen können. Sollten die Verformungen gänzlich gesperrt sein, entspricht eine Temperaturänderung von 1°K einer Spannungsänderung von rund 2,5 N/mm2 (bei einaxialer Betrachtung). Eine Temperaturänderung von 50°C bedeutet folglich eine Spannungsänderung von 125°N/mm2, was – vereinfacht gesprochen – etwa 50 % der Streckgrenze eines üblichen Baustahls entspricht.

Stahl zählt zwar zu den nichtbrennbaren Baustoffen, verliert mit steigender Temperatur jedoch seine Festigkeit (kritische Temperatur bei ca. 500°C). Die Verkleidung von Stahlbauteilen ist eine mögliche Variante, dies zu verlangsamen, schränkt jedoch die gestalterische Freiheit beträchtlich ein. Brandschutzanstriche, welche mit Anstrichdicken von 0,25 bis 3,0 mm Feuerwiderstände von 30 bis 60 Minuten ermöglichen, bieten hier eine Alternative. Diese Anstriche schäumen im Brandfall auf (um bis zu fünfzigfach vergrößertes Volumen) und bilden so eine isolierende Schutzschicht, welche die Erwärmung des Stahlquerschnitts entscheidend verlangsamen kann; vergl. Brux (2006) [16].


[1] , , ON EN 10020 (2000), ‘Begriffsbestimmung für die Einteilung der Stähle’.
[2] Petersen, C. (2013), Stahlbau - Grundlagen der Berechnung und baulichen Ausbildung von Stahlbauten, 4 edn, Springer Fachmedien Wiesbaden.
[3] ON EN 10025-2 (2005), ‘Warmgewalzte Erzeugnisse aus Baustählen - Teil 2: Technische Lieferbedingungen für unlegierte Baustähle’.
[4] , , , Ringhofer, A. (2017), Axially loaded self-tapping screws in solid timber and laminated timber products, Doctoral thesis, Graz University of Technology, Graz, Austria. doi.org/10.3217/978-3-85125-555-3
[5] , , , , , , , , Nürnberger, U. (1995a), Korrosion und Korrosionsschutz im Bauwesen - Band 1 - Grundlagen, Betonbau, Vol. 1, Bauverlag GmbH, Wiesbaden, Deutschland.
[6] ON EN ISO 8044 (2015), ‘Korrosion von Metallen und Legierungen’.
[7] , , , , Kunze, E., ed. (2001), Korrosion und Korrosionsschutz, WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA.
[8] , , , , Tostmann, K.-H. (2001), Korrosion: Ursachen und Vermeidung, Wiley-VCH.
[9] , , , , Böllinghaus, T., Göllner, J., Kranzmann, A., Troßmann, T. & Wachtendorf, V. (2011), Korrosion und Korrosions- schutz, in K.-H. Grote & J. Feldhusen, eds, ‘Dubbel’, Springer Berlin Heidelberg, pp. E93–E111.
[10] , ON EN ISO 9223 (2012), ‘Korrosion von Metallen und Legierungen - Korrosivität von Atmosphären - Klassifizierung, Bestimmung und Abschätzung’.
[11] , , , , ON EN ISO 12944-2 (2018), ‘Beschichtungsstoffe - Korrosionsschutz von Stahlbauten durch Beschichtungssysteme - Teil 2: Einteilung der Umgebungsbedingungen’.
[12] , , , , , , Gläser, B., Rüther, N., Gerwin, A. & Schreiber, B. (2013), ‘Informationsdienst Holz - spezial - Korrosion metallischer Verbindungsmittel in Holz und Holzwerkstoffen’, Fraunhofer-Institut für Holzforschung, Wilhelm-Klauditz-Institut (WKI), Braunschweig.
[13] , , , Nürnberger, U. (1995b), Korrosion und Korrosionsschutz im Bauwesen - Band 2 - Metallbau, Korrosionsprüfung, Vol. 2, Bauverlag GmbH, Wiesbaden, Deutschland.
[14] ON EN ISO 4618 (2015), ‘Beschichtungsstoffe - Begriffe’.
[15] ON EN 1993-1-1 (2014), ‘Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten - Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau’.
[16] Brux, G. (2006), ‘Stadien der Fußball-Weltmeisterschaft 2006: Stahlkonstruktionen mit dämmschichtbildender Brandschutz-Beschichtung’, Stahlbau 75(12), 1013–1019.